Tafelsilber: Familienschatz und Notgroschen


Durch die Industrialisierung wurde Tafelsilber auch für das Bürgertum erschwinglich. Und zum Notgroschen für schlechte Zeiten.

1947 brachte Jezler 39 Besteckmodelle auf den Markt. Sie bestanden aus Massivsilber und waren «dem schweizerischen Geschmack und Lebensstil angepasst.»

Finanzanlage für schlechte Tage, Insignien der gehobenen Esskultur und wertvolle Aussteuer als Erbe für die nächste Generation – diese Bedeutung hatte das Tafelsilber früher. Unter diesen Vorzeichen wurde es auch in der Silbermanufaktur Jezler in Schaffhausen gefertigt.

Es sind seit Jahrtausenden dieselben Eigenschaften, die Gold und Silber für Menschen begehrenswert machen: Der Glanz, die Schönheit des Metalls, die Beständigkeit sowie die Dehnbarkeit, welche die kunsthandwerkliche Bearbeitung ermöglicht.

Bereits zu Zeiten der Römer und Griechen wurde Tafelgerät aus Silber hergestellt. Ursprünglich war es dem Adel vorbehalten, der es zu festlichen Anlässen für die gehobene Tischkultur verwendete.

Mechanische Ziehpresse.

Jezler-Silberdrücker bei der Arbeit. Um 1947.

Blick in den Jezler-Poliersaal.

Mit der Industrialisierung wurde Tafelsilber auch für Grossbürger erschwinglich: Besteck konnte fortan maschinell und in Serien fabriziert werden. Wenn auch Maschinen mit der Zeit die Handarbeit weitestmöglich verdrängte: Manche Arbeitsschritte waren weiterhin von Hand zu erledigen. Das betraf speziell Korpuswaren wie Platten, Tee- und Kaffeeservices, Schalen, Becher und dergleichen.

Hammerarbeiter

Coupe Omega. Fussball-Wanderpreis für Südamerika. 92 cm hoch und 15 kg schwer, hergestellt von Jezler.

Gravuren auf Tafelsilber dienen der Personalisierung, wie man das heute nennen würde. Sie sollen Erinnerungen lebendig halten und einen Anlass oder eine Person würdigen. Zum Beispiel zu einem Jubiläum, einer Hochzeit, einer Taufe, dem Staatsexamen. Oder ganz traditionell zum Sieg, als Sportpreis. Graviert werden je nach dem Sprüche, Monogramme, Namen, Daten, Widmungen.

Tafelsilber als Familienbesitz

Unter anderem diente Tafelsilber traditionell als finanzielle Rücklage, die in der Not veräussert werden konnte. Gleichzeitig war es wertvolles Erbe, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Daher steht der Ausdruck «das Tafelsilber veräussern» sinnbildlich dafür, den kostbarsten Besitz wegzugeben.

Silberionen neutralisieren Pilze und Bakterien

Heutige Generationen mögen Silberbesteck eher nicht. Weil es oxidiert und einen Eigengeschmack entwickelt. Die schwärzliche Schicht auf der Oberfläche mag unhygienisch wirken, ist aber völlig ungiftig. Sie ist teils auch erwünscht in den Gestaltungskonzepten von Silberschmieden, denn sie lässt Ornamente plastischer hervortreten. Gewisse Lebensmittel wie Eier, Fisch, Crevetten, Erdnüsse, Broccoli oder Peterli lassen das Silber stärker anlaufen: Sie enthalten Schwefel, der zur Oxidation beiträgt.

Was viele nicht wissen: Silber ist ein gutes Mittel gegen Bakterien und Pilze. Alexander der Grosse scheint dies begriffen zu haben: Offenbar liess er Trinkwasser in Silbergefässen aufbewahren. Seine reinigende Wirkung ist ein Argument, das auch heute noch für das traditionelle Tafelsilber sprechen würde –neben der gehobenen Atmosphäre der Hochwertigkeit und edlen Kultur, die es verströmt.

In der Nachkriegszeit pries Jezler die bakterio- und fungizide Wirkung von Tafelsilber vor allem als Mittel gegen Typhus-, Diphterie- und Milzbrandbazillen an.